Relevanz

Der Besuch historischer Lernorte wird von Lehrkräften vor allem mit Fokus auf inhaltliche Lernziele geplant, oder von Studierenden als Möglichkeit einer scheinbar ‚authentischen Vergangenheitsbegegnung‘ wahrgenommen. Eben diese Präkonzepte sollten durch die (coronabedingte) zweitägige Online-Exkursion verändert werden.

Ziel

Auf Basis theoretischer Grundkenntnisse zur Geschichte, Funktion und Struktur historischer Lernorte (ins. Gedenkstätten) sollten die Studierenden a) Kompetenzen in der Arbeit mit lernortspezifischen Quellengattungen aufbauen, b) quellen- und lernortspezifische Bildungspotentiale und Herausforderungen gemeinsam mit Gedenk- und Archivpädagog_innen reflektieren und c) im Online-Austausch mit Expert_innen Ideen zur Vor- und Nachbereitung der Besuche historischer Lernorte entwickeln. Zudem bot das Online-Format die Chance zur Reflexion virtueller Lernformate.

Struktur

Neben der theoretischen Grundlegung im universitären Blockseminar bietet die lokale Kooperation mit dem Lernort Villa ten Hompel die Möglichkeit, dass Studierende erste Erfahrungen in der Analyse historischer Lernorte sammeln, Gespräche mit Expert_innen vor Ort führen und ihren Rollenwechsel von der Besucher- zur Lehrer_innenperspektive zu reflektieren.

Vorbereitung

  • Theoretische Grundlagen zur Funktion historischer Lernorte und dem Lernen in Gedenkstätten erarbeiten
  • Expert_innen der Lernorte digital kennenlernen
  • Analysekategorien entwickeln und in der Villa ten Hompel (lokal) erproben
  • Geschichte der Berliner Lernorte recherchieren (Gruppenarbeit)
  • Fragestellungen zur didaktischen Analyse lernortspezifischer Bildungsmaterialien entwickeln

Online-Exkursion

  • Fragestellung im Plenum formulieren
  • Lernortspezifischer Quellengattungen in Gruppenarbeit analysieren
  • (jeweils ein Lernort)
  • Konsultationsgespräche mit Gedenkstätten- und Archivpädagog_innen
  • Ideen zur Vor- und Nachbereitung entwickeln
  • Online-Präsentation und Evaluation

Nachbereitung

  • Arbeitserfahrungen reflektieren
  • Unterrichtskonzepte schriftlich ausarbeiten

Erfahrungen

Aus Studierendenperspektive stellt das digitale Format der Online-Exkursion und die damit verbundene niederschwellige Kommunikation mit den Expert_innen vor Ort eine neue Erfahrung dar. Insofern können durch eine Kommunikation auf Augenhöhe mögliche ‚Hemmnisse‘ in der Kontaktaufnahme abgebaut werden.
Gleichzeitig erfordert und ermöglicht das Online-Format eine Reflexion der Vor- und Nachteile virtueller Lernumgebungen. Dies zeigen die Rückmeldungen Studierender.

PositivNegativ
„Die Kooperation hat sehr gut funktioniert. Uns wurden viele Möglichkeiten eröffnet mit den verantwortlichen zu interagieren.“
„Die Vor- und Nachbereitung einer Exkursion ist fundamental für ihren Erfolg als Exkursion für die SuS.“
„Der fehlende informelle Austausch in den Pausen beim Kaffee. (Coronabedingt)“
„Vorstellung der Gedenkstätte durch (virtuelle) Führung wäre gut.“
„Ich hätte mir mehr Informationen von den Expert*innen der anderen Gedenkstätten gewünscht. Wissensvermittlung nur durch Kommilitonen.“

Potentiale

Online-Formate ermöglichen neben der Analyse der Web-Sites historischer Lernorte lediglich einen ersten Zugang für eine didaktisch-reflektierte Auseinandersetzung mit lernortspezifischen Potentialen. Die Komplexität der Raumerfahrungen, die Wirkungen musealer Inszenierungen, Authentizitätsanmutungen der historischen Orte, die Faszination historischer Objekte – all diese Lernerfahrungen setzen eine Realbegegnung am Lernort voraus. Gleichwohl hat nicht zuletzt ‚Corona‘ auch in historischen Lernorten für einen Digitalisierungsschub gesorgt. Insofern gehört die Reflexion der Potentiale, Herausforderungen und Grenzen virtueller Lernortbesuche zum Professionalisierungsprozess. Zudem gilt es aus hochschuldidaktischer Perspektive schon aus pragmatischen Gründen, auch einen potentialorientierten Blick auf diese Formate zu werfen.

Aus universitärer Perspektive:

  • konnten durch die frühzeitige Online-Kontaktaufnahme und durch die intensive Gruppenarbeit mit Expert_innen per ZOOM die Theorie-Praxis-Verzahnung unterstrichen und auch der Anspruch einer Kommunikation und Kooperation zwischen Studierenden und Expertinnen vor Ort eingelöst werden.
  • ermöglichte die virtuell bedingte Komplexitätsreduktion eine Fokussierung auf lernortspezifische Quellengattungen, während in realen Formaten die Studierenden häufig von der Vielfalt der ‚Eindrücke‘ überwältigt sind und damit eine analytische Distanz erschwert wird.
  • sind virtuelle Formate in jedem Fall kostengünstig und auch organisatorisch niederschwellig umzusetzen.

Herausforderungen

Digitale Formate können bei festen Kooperationen mit außerschulischen Lernorten für eine erste Problemsensibilisierung genutzt und zur Entwicklung von Fragehaltungen in der Vorbereitung eingesetzt werden. Den für den spezifischen Professionalisierungsprozess entscheidenden Besuch der Lernorte und das Gespräch vor Ort können sie jedoch nicht ersetzen.
Nachteile im Vergleich zu Exkursionsformaten:

  • Der informelle Austausch zwischen Studierenden und damit die soziale Beziehungsebene kommt zu kurz.
  • Die Reflexion zentraler Lernortqualitäten wie Authentizität und Emotionalität bleibt auf der Strecke.
  • Gruppenarbeitsprozesse lassen sich schwerer betreuen und auch reflektieren.
  • Die organisatorische Komplexität von schulischen Exkursionen können Studierende so nicht reflektieren.

Autorin: Prof. Dr. Saskia Handro, Institut für Didaktik der Geschichte, Universität Münster

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