Relevanz

Das Inszenieren von Geschichte in einer Ausstellung gehört zu den Kernaufgaben historischer Lernorte zur doppelten deutschen Diktaturgeschichte. Für angehende Geschichtslehrkräfte bieten kooperative Lehrformate deshalb die Chance, sich aktiv in die Entwicklung neuer Ausstellungen einzubringen und die historischen Lernorte als diskursive Orte kennenzulernen.

Ziel

Die Studierenden erwerben geschichtskulturelle Kompetenz, indem sie auf Basis einer vergleichenden Ausstellungsanalyse zweier historischer Lernorte eigene Vorschläge zur Überarbeitung der Dauerausstellungen entwickeln. Darüber hinaus entwickeln sie Kenntnisse zu Entstehung und Funktionen historischer Lernorte zur doppelten deutschen Diktaturgeschichte. Abschließend reflektieren und differenzieren die Studierenden ihre professionsrelevanten Überzeugungen zu Lernpotentialen historischer Lernorte.

Struktur

Nach einer theoretischen Grundlegung zu Funktionen und Potentialen historischer Lernorte werden Kategorien der Analyse historischer Ausstellungen erarbeitet und diese in einem explorativen Zugriff auf den lokalen Kooperationspartner Villa ten Hompel angewendet. Zwei jeweils dreitätige Exkursionen zur Villa ten Hompel (Münster) und zur Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße (Erfurt) durch Studierende der Universitäten Erfurt und Münster bilden den dritten Schritt, bei dem es insbesondere um das Einnehmen der kuratorischen Perspektive auf die Ausstellungen durch die Studierenden geht.

Vorbereitung

  • Funktionen historischer Lernorte erarbeiten
  • Beteiligte Lernorte kennenlernen
  • Analysekategorien entwickeln

Exkursion (jeweils drei Tage in Erfurt und Münster):

  • Historische Lernorte erkunden (Tandemführungen)
  • Ausstellungen in Erfurt und Münster analysieren
  • Vorschläge zur Überarbeitung entwickeln

Nachbereitung

  • Ausstellungskonzepte vergleichen
  • Potentiale für schulische Exkursionen diskutieren
  • eigene Überzeugungen reflektieren

Erfahrungen

Mündliche Rückmeldungen in Reflexionsgesprächen und die schriftliche Evaluation zeigen, dass das Lehrkonzept von den Studierenden als äußerst kompetenzfördernd und innovativ eingeschätzt wird. Hervorgehoben wird unter anderem das partizipative Konzept beider Exkursionen, das einen Austausch auf Augenhöhe ermöglicht – zwischen den Studierenden aus Erfurt und Münster einerseits und zwischen Studierenden und Akteurinnen der beteiligten Lernorte andererseits. Konzeptionelle Einsichten in die Inszenierung von Geschichte und methodische Fähigkeiten des kategoriengeleiteten Hinterfragens von historischen Ausstellungen werden zudem als längerfristig anwendbare Lernerträge markiert. Diese Fähigkeiten schätzen die angehenden Geschichtslehrkräfte als hilfreiche Kompetenzen zur künftigen Planung und Durchführung von Besuchen historischer Lernorte mit ihren Schülerinnen ein.
Eine Herausforderung besteht für die Studierenden darin, sich sowohl einen inhaltlichen Überblick über die Themengebiete der Ausstellungen zu verschaffen als auch die inszenatorisch-konzeptionelle Ebene der Ausstellungen im Blick zu behalten, wie aus exemplarischen Aussagen Studierender hervorgeht.

PositivNegativ
„eindrückliche Verknüpfung von (geschichtsdidaktischer/geschichtstheoretischer) Theorie und deren Anwendung in der Praxis“
 
„Die Thematisierung von Analyse der Inszenierung von Geschichte (in Gedenkstätten) kann dabei helfen, den Konstruktcharakter von Geschichte zu erkennen und nachzuvollziehen.“
 
„Durch Lehrveranstaltung und Exkursion wurde ich dafür sensibilisiert, verschiedene Blickwinkel auf eine Ausstellung einzunehmen.“
„Eine Überblicksführung in Erfurt wäre hilfreich gewesen.“
„Eine Überblicksführung in Erfurt wäre hilfreich gewesen.“

Potentiale

Für angehende Geschichtslehrkräfte bietet das Lehrkonzept die Chance, historische Lernorte nicht nur aus der Besucherperspektive zu betrachten, sondern sie als diskursive Orte zu erleben, die ein hohes Interesse am Austausch mit Studierenden über ihre Ausstellungs- und Bildungskonzepte haben. Dies birgt für die Teilnehmenden des Lehrkonzepts geschichtskulturelle Partizipationsmöglichkeiten, die sich sonst im Geschichtsstudium eher selten bieten. Nicht zuletzt kann auch der Austausch zwischen Studierenden unterschiedlicher Universitätsstandorte im Rahmen einer gemeinsamen Exkursion neue Perspektiven auf das Inszenieren von Geschichte in historischen Ausstellungen eröffnen.
Aus der Perspektive der kooperierenden Lernorte bietet das Lehrkonzept vor allem das Potential, von Studierenden Anregungen für die Entwicklung neuer Ausstellungen zu erhalten. Zudem kann der Austausch mit den Studierenden dabei helfen, deren Hemmungen vor künftigen Fahrten zu historischen Lernorten mit Schüler_innen abzubauen.

Herausforderungen

Trotz der großen Bedeutung inszenatorischer Mittel bei der Darstellung von Geschichte in historischen Ausstellungen erschließen sich kuratorische Entscheidungen erst bei fundierten Kenntnissen über die Ausstellungsinhalte. Es bleibt deshalb eine wesentliche Herausforderung des Lehrkonzepts, in der Vorbereitung der Exkursionen den Studierenden Geschichtswissen zur doppelten deutschen Diktaturgeschichte und geschichtsdidaktisches Wissen zur Ausstellungsanalyse gleichermaßen zu vermitteln. Der Vergleich zweier historischer Ausstellungen zu unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten fordert von den Studierenden zudem ein hohes Maß an Abstraktionsfähigkeit. Nicht zuletzt stellt es eine Herausforderung dar, die vielfältigen Vorschläge zum Weiterdenken der historischen Ausstellungen angemessen zu sichern und in die künftige kuratorische Praxis zu überführen.

Autor: Dr. Martin Schlutow, Oberstudienrat im Hochschuldienst am Institut für Didaktik der Geschichte, Universität Münster
 

© Universität Münster
Titel-Bild:
© Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße