Relevanz

Historische Orte der SED-Diktatur- und deutsch-deutschen Teilungsgeschichte wurden in den vergangenen Jahren zu vielschichtigen historischen Lernorten mit einem breiten Bildungsangebot entwickelt. Die Nutzung dieser außerschulischen Ressourcen historisch-politischer Bildung setzt voraus, dass angehende Geschichtslehrkräfte Kompetenzen zur Arbeit an und mit historischen Lernorten aufbauen, Bildungsangebote reflektieren und Kooperationsmöglichkeiten nutzen.

Ziel

Durch das vorbereitende universitäre Seminar und die dreitägige Exkursion zu historischen Lernorten sollten die Studierenden a) geschichtskulturelle Kompetenzen zur Lernort- und Ausstellungsanalyse aufbauen; b) in Begleitung durch Gedenkstätten- und Archivpädagog_innen erste geschichtsdidaktische Kompetenzen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung aufbauen sowie c) Herausforderungen bei der Planung von Lernortbesuchen reflektieren.

Struktur

Neben der theoretischen Grundlegung im semesterbegleitenden universitären Seminar bot die lokale Kooperation mit dem Lernort Villa ten Hompel die Möglichkeit, dass Studierende hier bereits Fragehaltungen und Kategorien zur Analyse historischer Lernorte entwickeln konnten.
Die Exkursion hatte nicht Führungs-, sondern expliziten Werkstatt- und Diskurscharakter. Im Zentrum der studentischen Gruppenarbeit stand die kategoriengeleitete Analyse eines Lernortes sowie ausgewählter lernortspezifischer gedenkstättenpädagogischer Angebote. Die Vorstellung der Lernorte durch Expert*innen vor Ort sollte erste Impulse für eine Analyse und vergleichende Diskussion setzen. Die Kooperation zwischen Studierenden der Universitäten Jena und Münster sollte zudem die Verständigung über analytische Zugänge und den Austausch untereinander anregen sowie geschichtsdidaktische und geschichtswissenschaftliche Perspektiven ins Gespräch bringen.

Vorbereitung

  • Präkonzepte reflektieren
  • Theoretische Grundlagen erarbeiten
  • Analysekategorien entwickeln und (lokal) erproben
  • Geschichte der Lernorte recherchieren
  • Fragestellungen für die Exkursion entwickeln

Exkursion

  • Fragestellung im Plenum formulieren
  • Ausstellungsanalyse in Gruppenarbeit (jeweils ein Lernort)
  • Ideen zur Vor- und Nachbereitung entwickeln, vorstellen und diskutieren

Nachbereitung

  • Reflexion
  • Konzepte der Vor- und Nachbereitung ausarbeiten
© SBM | Gesa Simons

Erfahrung

Aus Studierendenperspektive stellte die Integration von Studierenden zweier Universitäten im Rahmen der Exkursion in sozialer Hinsicht eine große Herausforderung dar. Zudem erwies sich die eigenständige Arbeit der Studierenden an den Lernorten aufgrund der Komplexität der Ausstellungen als anspruchsvoll.

PositivNegativ
„Sowohl thematisch-inhaltliche Vorbereitung (Geschichte des Ortes, historischer Kontext etc.) als auch Definierung und kritische Diskussion von Begriffen und Konzepten (Gedenkstätte, Authentizität, Historizität) sind essenziell für die Vorbereitung.“

„enge Zusammenarbeit mit den Gedenkstättenpädagogen“
„Zu wenig Zeit an den Lernorten!“

„gleiche Aufgaben für alle Gruppen (…)“

„leider war die Zusammenarbeit aufgrund sehr heterogener Voraussetzungen schwierig“ (Münster/Jena)

Potentiale

  • Im Rahmen der Veranstaltungen konnten grundlegende theoretische und methodische Kenntnisse zum Lernen an und mit außerschulischen Lernorten angebahnt werden.
  • Die Studierenden betonen nach der Exkursion durchgehend das didaktische und inhaltliche Potential der Lernorte für eine Beschäftigung mit der SED-Diktatur- und deutsch-deutschen Teilungsgeschichte – und hier vor allem die Möglichkeiten zur eigenständigen historischen Urteilsbildung und vielschichtigen Quellenarbeit. Parallel dazu sehen sie emotionalisierende Zugänge kritischer.
  • Die intensive Auseinandersetzung mit einem historischen Lernort sowie die lernortvergleichende Perspektive förderte die Einsicht in die Notwendigkeit der Vor- und Nachbereitung sowie der begründeten Fokussierung auf ausgewählte Lernziele. Gerade die eigenständige Analyse hat offenbar das Bewusstsein für die Komplexität der Lernorte und die Vielfalt didaktischer Zugänge geschärft.
  • Entscheidend für die Entwicklung dieser professionellen Perspektive ist die enge Verzahnung von Theorie und Praxiserfahrung sowie die Diskussion mit Gedenk- und Archivpädagoginnen vor Ort. Diese Faktoren fördern den Wechsel von der Besucherperspektive und die Studierenden reflektieren den Mehrwert der Kooperation mit Expertinnen, nachdem sie Einblicke in das Arbeitsfeld und Angebotsspektrum der Gedenkstätten- und Archivpädagogik erhalten haben.

Herausforderungen

  • Trotz intensiver theoretischer Vorbereitung stellte die eigenständige Analyse von Ausstellungen und gedenkstättenpädagogischen Angeboten eine sehr komplexe Anforderung dar, die stark vorstrukturiert werden muss. Als Alternative zur gruppenteiligen Arbeit an unterschiedlichen Lernorten wäre hier möglicherweise eine Konzentration auf einen Lernort denkbar, gerade wenn die Studierenden über wenige Vorerfahrungen verfügen.
  • Als weitere Herausforderung erwies sich die Zusammenarbeit von Studierendengruppen unterschiedlicher Standorte, da hier die Aushandlung von Fragehaltungen und professionellen Perspektiven wichtig, aber auch zeitintensiv ist und Konflikte provozierte.
  • Zwar konnten im Rahmen der Gruppenarbeit erste Ideen zur Vor- und Nachbereitung entwickelt und mit Experten vor Ort diskutiert werden. Die Ausarbeitung und vor allem die theoretische Rückbindung ist im Rahmen einer Exkursion jedoch nicht zu leisten. Der Fokus sollte hier daher auf einer Problemsensibilisierung liegen.
  • Aufgrund organisatorischer Zwänge fand die Exkursion zum Ende des Semesters statt, was eine eingehende Nachbereitung und Reflexion der Studierendenerfahrungen verhinderte. Bei der Planung vergleichbarer Formate wären in jedem Falle Sitzungen zur Nachbereitung anzustreben, gerade um die angestrebte Verzahnung von Theorie- und Praxiserfahrung umzusetzen.

Autorin: Prof. Dr. Saskia Handro, Institut für Didaktik der Geschichte, Universität Münster

Titel-Bild:
Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, Foto © SBM | Gesa Simons